Eins vorab: Die detaillierte Festlegung von Personas, früher Zielgruppen genannt, erhält erfreulicherweise im Online Marketing bzw. Content Marketing mehr und mehr Einzug. Es handelt sich hierbei – wie ich Dir am Ende dieses Blog-Beitrags zeigen werde – um ein Strategie-Tool, das schon in den 80er-Jahren im Einsatz war. Mit anderen Worten: Beim Thema Personas handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen. In diesem Beitrag erfährst Du, wie man Zielgruppen definiert, was man unter Personas versteht, wodurch sie sich von klassischen Zielgruppen unterscheiden und wie man Personas definiert.
Wie definiert(e) man Zielgruppen?
Der Begriff Zielgruppe entstammt dem klassischen Marketing. Unter einer Zielgruppe versteht man eine homogene Gruppe von Marktteilnehmern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Werbemaßnahmen positiver reagieren, als alle übrigen Marktteilnehmer. Diese können aus Deiner Sicht als Werbetreibender in relevante Teilöffentlichkeiten unterschieden werden. Wie zum Beispiel in Zulieferer, Mitarbeiter, potenzielle Mitarbeiter/Auszubildende, Anwohner, Institutionen, Investoren, Großhändler, Einzelhändler, Verbraucher, Medien/Pressemitarbeiter und Meinungsführer/Influencer. In diesem Blog-Beitrag möchte ich mich – der Einfachheit halber – auf die Zielgruppe der Verbraucher beschränken.
Zielgruppen nach soziodemografischen Merkmalen
Gewöhnlicherweise richten sich traditionelle Zielgruppendefinitionen nach soziodemografischen Merkmalen. Wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushalseinkommen, Wohnort, Ausbildung, Beruf etc. Aber reichen diese Angaben für Kreative aus, um ein konkretes Bild von Deiner Zielgruppe vor Augen zu haben?
Zielgruppen nach psychografischen Merkmalen
Sie definieren sich aus psychografischen Merkmalen, wie zum Beispiel Einstellungen und Werte mit dem daraus resultierendem Verbraucherverhalten, Statusdenken etc. Beliebt und bewährt sind hier die sogenannten Sinus-Milieus: “… Sinus-Milieus sind eine Gesellschafts- und Zielgruppentypologie, die Menschen nach Lebensauffassungen und Wertehaltungen in „Gruppen Gleichgesinnter“ zusammenfasst. … Die Sinus-Milieus liefern ein wirklichkeitsgetreues Bild der soziokulturellen Vielfalt in Gesellschaften, indem sie die Befindlichkeiten und Orientierungen der Menschen, ihre Werte, Lebensziele, Lebensstile und Einstellungen sowie ihren sozialen Hintergrund genau beschreiben. … Mit den Sinus-Milieus versteht man, was die Menschen bewegt und wie sie bewegt werden können.”
(Quelle: https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/sinus-milieus-deutschland)
Was sind denn nun Personas?
Unter Personas versteht man im Online Marketing bzw. Content Marketing die Beschreibung von “fiktiven” Marktteilnehmern, welche die ideal- bzw. prototypischen Vertreter Deiner anvisierten Zielgruppe(n) repräsentieren. Diese Definition soll auf reale Informationen basieren, die zum Beispiel aus Interviews mit Vertriebsmitarbeitern, Marktforschungsumfragen, Tests mit Interessenten oder gesammelten Kundendaten bestehen. Alle so “beschafften” Informationen werden in Personas zusammengefasst.
Die Entwicklung von Personas hilft Dir als Werbetreibenden, Deine Zielgruppe(n) als Menschen mit bestimmten Bedürfnissen, Interessen und Fragen rund um Dein Produkt und Unternehmen zu begreifen. Folglich kann das intern vorhandene oder extern beauftragte Kreationsteam diese Bedürfnisse, Interessen und Fragen aufgreifen und entsprechenden Content entwickeln. Im nächsten Schritt wird diesen Personas ein konkretes Gesicht verliehen – zum Beispiel mit der KI-App thispersondoesnotexist. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass alle Mitarbeiter im Content-Creation-Team dieselbe Person vor Augen haben, für die sie “Inhalt mit Mehrwert” (= Content) erstellen sollen.
Wie unterscheiden sich Personas von Zielgruppen?
Die Beschreibung von Personas ist sehr viel differenzierter als eine Zielgruppendefinition. Sie beinhaltet einen “echten” Namen, sowie ein ebenso realistisches Portraitfoto (siehe oben). Hinzu kommen Informationen über Alter, Geschlecht, Familienstand, Wohnort, Schulabschluss und Berufsausbildung bzw. Studium. Plus Angaben über Beruf, Verantwortlichkeiten und Verhalten gegenüber Kollegen bzw. Vorgesetzen, Familie, Freunden und Bekannten. Damit nicht genug: Eine Persona umfasst außerdem Informationen über private und berufliche Lebensziele, Wünsche, Erwartungen, Bedürfnisse, Hobbys bzw. Vorlieben sowie Abneigungen und Ängste.
Darstellungsformen von Personas
Es gibt zwei Arten, wie Du alle gesammelten Infos über Deine Personas darstellen kannst: Einerseits als Personas in tabellarischer Form. Und andererseits als Personas in erzählender Form.
Personas in tabellarischer Form
Hier ein Template von netspirits, das mir sehr gut gefällt.
Personas in erzählender Form
Die Beschreibung von Personas in erzählender Form sollte ein bis zwei DIN-A4-Seiten umfassen. Sie besitzt den Vorteil, dass sich Geschichten besser einprägen als Aufzählungen von Stichpunkten. Die folgende Persona habe ich selbst im Zuge einer Projektarbeit ausgearbeitet.
Die Persona
Das zu bewerbende Produkt
Hintergrund zur Persona (Beruf, Bildung, Karriere, Familie)
Michael hat die Realschule besucht und danach bei der AOK eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten absolviert. Danach leistete er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Anschließend bewarb er sich erfolgreich bei der DAK Koblenz und arbeitet dort seit 19 Jahren. Im Alter von 30 Jahren hat er seine Ehefrau Sabine geheiratet und ist Vater von zwei Töchtern (Lina und Nicole) im Alter von 7 bzw. 9 Jahren. Er ist zufrieden damit, in regelmäßigen Abständen seine Gehaltserhöhungen zu bekommen. Weitere berufliche Ambitionen hat er nicht, da er sein Lebensumfeld stabil halten möchte. Und sicher sein will, seine Familie bis zur Rente finanziell absichern zu können.
Demografie (Alter, Geschlecht, Wohnort, Wohnsituation)
Michael ist 42 Jahre alt und männlich. Er wohnt mit seiner Familie in einer 4-Zimmer-Mietwohnung in Koblenz.
Identifikatoren:
Michael verbringt gerne Zeit mit seiner Familie, möchte aber hin und wieder ein wenig aus seinem Berufsalltag und der Regelmäßigkeit seines Familienlebens ausbrechen. Er sucht seit längerem einen Weg, insgeheim seinem Drang nach „Freiheit und Abenteuer“ mehr Lauf zu lassen – allerdings ohne ein zu großes gesundheitliches und finanzielles Risiko einzugehen. Auf der einen Seite fehlt ihm dazu der Mut, auf der anderen Seite ist er sich seiner Verantwortung gegenüber seiner Familie bewusst. Da er als Kind mit seinen Eltern oft in Österreich und der Schweiz Urlaub verbrachte, liebt er die Natur, die Berge und ausgedehnte Wanderungen sowie Radtouren.
Michael achtet auf sein Äußeres, ist gepflegt (alleine schon, weil er im Beruf auch Kundenkontakt hat), trägt während der Woche eher unauffällige, zeitgemäße Kleidung. An den Wochenenden hingegen bevorzugt er Lederjacken, T-Shirts, Jeans uns Boots. Besonders stolz ist er auf seinen Stoppelbart, der für ihn Männlichkeit ausdrückt. Und ihn ein wenig von der Masse unterscheidet. Heimlich bewundert er Rockerclubs und Motorräder.
Er schaut Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, liest die örtliche Tageszeitung und informiert sich im Internet bei speziellen Fragen / Problemen und über Angebote. Dabei ist Michael auf Facebook (häufiger) und auf Instagram (seltener) aktiv. Um sich mit seinen Freunden zu verabreden, nutzt er WhatsApp. Mit ihnen trifft er sich hin und wieder abends in einem Livemusikclub, in dem hauptsächlich Rockmusik gespielt wird. Oder er schaut Fußball mit ihnen. Ab und zu spielt er in seiner Freizeit noch Gitarre. Früher (vor seiner Ehe) war er Mitglied einer Deep-Purple-Coverband und hatte lange Haare.
Da seine Ehefrau Sabine Hausfrau ist, übernimmt sie im Allgemeinen die Einkäufe, seine „Hobbykäufe“ tätigt er abends nach Feierabend online. Da ihm das Display eines Smartphones dafür zu klein ist, nutzt er lieber sein Laptop.
Größere Anschaffungen bespricht er mit seiner Ehefrau. Aktuell hat er 10.000 Euro zur Verfügung. Mit der einen Hälfte will er den nächsten Sommerurlaub mit seiner Familie finanzieren. Mit der anderen Hälfte will er sich etwas für sich selbst gönnen.
Erwartungen, Ziele & Emotionen:
Michael möchte in Zukunft häufiger am Wochenende ausgedehnte Tagesausflüge in der nahegelegenen Eifel unternehmen. Er stellt sich vor, weitere Strecken zurückzulegen, ohne sich zu verausgaben und sich an der Natur zu erfreuen. Deshalb möchte er auch teilweise motorisiert sein. Ein Motorrad bzw. das Motorrad fahren ist ihm zu gefährlich und seine Lieblingsmarke Harley Davidson kann er sich mit dem vorhandenen Budget sowieso nicht leisten. Daraufhin überlegt er sich, ein E-Bike anzuschaffen. Da er sich mit E-Bikes nicht auskennt und sich der Markt quasi unüberschaubar abbildet, ist Michael verunsichert.
Herausforderungen:
Am liebsten würde Michael Freunde und Bekannte fragen, worauf er beim Kauf eines E-Bikes zu achten hat. Er kennt aber niemanden, der ein E-Bike besitzt. Darum will er sich von einem Fachhändler beraten lassen. Denn ein E-Bike kostet mehrere Tausend Euro, da will ein Kauf gut überlegt sein. Und er hat beim Onlinekauf nicht die Möglichkeit, eine Probefahrt zu übernehmen.
Ideale Lösung:
Wir können Michael persönlich beraten (Telefon oder Kontaktformular). Und bieten ihm – bei Nichtgefallen – eine 30-Tage-Geld-zurück-Garantie an. Nur wir sind in der Lage, ihm mit unserem Modell X ein E-Bikes verkaufen zu können, dass ihm das Gefühl gibt, einen echten „Chopper“ zu fahren.
Made My Persona von HubSpot
Ein kostenloses Hilfsprogramm, mit dem Du Deine Persona definieren kannst, bietet HubSpot auf seiner Website an. Klicke einfach auf diesen Link und probiere es aus.
Warum Personas für mich kalter Kaffee sind.
William D. Wells, Universitätsprofessor und meines Wissens seinerzeit Chefstratege bei DDB Needham worldwide schrieb in seinem 1989 erschienenen Buch “Planning for R.O.I.”:
“Gute Werbung ist die höchstpersönliche Kommunikation zwischen zwei Menschen. Der Absender sagt dem Empfänger: Ich weiß sehr viel über dich; ich verstehe dich sehr gut und kenne deine Probleme, Sehnsüchte und Bedürfnisse. Ich möchte dir jetzt über ein Produkt oder eine Dienstleistung berichten, woran ich glaube, wovon ich begeistert bin. Und ich glaube ganz ehrlich, dass auch du begeistert sein wirst, sobald ich dir die Fakten liefere und du dich selbst davon überzeugen kannst.”
Darum muss der Empfänger Deiner Botschaften bzw. Deines Contents als Person beschrieben werden. Das direkte Anvisieren dieser aussichtsreichsten Kandidaten für die Marke garantiert auch, dass die Kreise direkt um das Zentrum des Zielgebietes ebenfalls getroffen werden.
Fazit:
Zielgruppen-Definitionen, heute Personas genannt, sind seit langem ein probates Mittel im (Online) Marketing. Der Eindruck täuscht, dass es dabei um etwas völlig Neues handelt. Lediglich die Bezeichnung hat sich geändert.